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"Sie ist stark darin, den Kampf zu bestimmen"

14. März 2019

Marie Retzer ist mehrfache deutsche Meisterin im Boxen, jetzt will die 22-Jährige zu den Olympischen Sommerspielen

Jahrelang lief sie beim LAC Quelle Fürth die 800 Meter, heute ist Marie Retzer Deutschlands beste Boxerin im Leichtgewicht. Bei Kämpfen ist sie nie nervös, ihr Credo ist das „Druckmachen“. 2019 will sie auch international durchstarten, die Teilnahme in Tokio ist ihr größtes Ziel.

Die Nägel hat sie wie immer frischlackiert. Heute: in Schwarz, mit hellblau-weißen Glitzerreflexen. Aus leuchtenden Rehaugen schaut sie auf ihr Kunstwerk. Dann schiebt Marie Retzer die Finger in knallrote Boxhandschuhe und beginnt ihr tägliches Training.

Die 22-Jährige boxt seit sechs Jahren. Sie ist zweifache deutsche Jugendmeisterin und zweifache deutsche Meisterin. Zu den bayerischen Meisterschaften geht sie nicht mehr, wenn etwas Wichtigeres ansteht, zum Beispiel ein Trainingslager. Warum? Die Gegnerinnen dort kennt sie schon — und hat sie alle besiegt. Sie boxt in der Gewichtsklasse bis 60 Kilo. „Marie ist stark darin, den Kampf zu bestimmen“, sagt Harald Retzer, ihr Vater und Trainer beim 1. ASC Nürnberg-Süd. Schon mit fünf Jahren war seine Tochter häufig bei den Kämpfen des Vaters dabei. Doch dann entschied sie sich zunächst für die Leichtathletik. Der 800-Meter-Lauf war beim LAC Quelle Fürth ihre stärkste Disziplin, doch mit 16 Jahren verlor Retzer die Lust daran. Zu einseitig, sagt sie.

Bei ihrem Einstieg in den Boxsport hat ihr die gute Kondition sehr geholfen. „Ich bin eher eine, die nach vorne marschiert“, sagt Retzer. Am meisten gefällt ihr, dass das Training so abwechslungsreich ist. Am Vormittag macht sie Bergsprints, am Abend hat sie Boxtraining. Dabei trainiert sie immer etwas anderes: Kraftausdauer oder Technikarbeit, mal hält ihr Vater die Pratzen, mal kämpft Retzer gegen die Männer im Verein.

Mit Schlagern in den Kampf

Etwa zehn bis 20 Kämpfe hat Marie Retzer im Jahr. Oft muss sie stundenlang in einer Sporthalle warten, bevor sie dran ist. Dann legt ihr Vater ihr eine der dicken blauen Matten aus. Für Retzer der perfekte Moment, um mit Kopfhörern und etwas Musik im Ohr zu schlafen. Manchmal hört sie Schlager, blendet die Welt dabei aus. Ihre Gegnerinnen machen derweil mit Übungen und Trainergesprächen ihrer Nervosität Luft.

Wenn ihr Vater sie weckt, steigt Retzer dann in den Ring. Ausgeruht und seelenruhig. Macht Druck, teilt aus. Die bellenden Rufe von Harald Retzer versteht nur sie. „Wegen dem breiten Fränkisch“, sagt die Boxerin. Sie lacht laut und lang, wirft dabei den Kopf zurück. Dann kommt die Olympia-Frage, ihr Lachen erlischt. Der Blick wird ernst. Das schafft sie, Tokio ist ihr größtes Ziel: 2019 wird sie bei zwei bis drei Turnieren die Chance bekommen, sich zu qualifizieren. Und die wird sie nutzen. Da ist sie sich ganz sicher.

Quelle: Nürnberger Nachrichten - 13/03/2019

 

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